Das Stiegenhaus, das ich betreten darf ist erstaunlich hell und sehr weit. Die hohe Tür öffnet sich und Mimi schenkt mir voller Strahlen ein warmherziges „Hallo, schön, dass du da bist, fühl dich wie zuhause.“ Sie führt mich in ein gemütliches Wohnzimmer, das von einer kleinen Lampe und ein paar Kerzen sanft erleuchtet ist. Hier fühlt man sich schnell willkommen.
„Ich dachte früher immer, Jüngerschaft, das ist nur etwas für manche Christen, um ein Jünger sein zu dürfen, muss ich gewisse Kriterien erfüllen“, erzählt Mimi angeregt.
„Nach einer Zeit, die ich in einer Jüngerschaftsschule verbringen durfte, habe ich aber gemerkt, dass auch ich dazu berufen bin, ein Jünger zu sein. In Wirklichkeit sind wir alle dazu berufen, Jünger zu sein. Ich habe auch gemerkt, dass es meine bewusste Entscheidung braucht, die ich jeden Tag neu treffen darf. Jeden Tag darf ich dem Herrn neu sagen, dass ich offen sein möchte für das, was er spricht und für das, was auf mich zukommt, selbst in den kleinsten Dingen. Jeden Tag neu versuche ich, dem Herrn mein Leben zu übergeben, meine Wünsche und Träume zu ihm ans Kreuz zu legen und ihn darum zu bitten, dass er durch mich wirkt. Ich will alles, was er für mich vorbereitet hat annehmen.“ Noch einmal betont Mimi, dass Jünger sein ein wichtiger Beruf ist, den wir alle leben können, egal wo wir im Leben stehen und sie erzählt, dass dieser zuvor so groß wirkende Begriff für sie nun jeden Tag ein bisschen konkreter werden darf.
Diese bewusste Entscheidung versucht sie jeden Morgen in einer stillen Zeit zu treffen, da kann sie ihre Gedanken ordnen, schauen, wo es den Tag über hingehen wird. „Nicht jeder Tag ist perfekt“, sagt Mimi, „aber der Herr holt mich immer wieder zurück, wenn ich das auch will. Während der Schulung hatten wir diesen Spruch: ‚Die to yourself’. Das bedeutet, dass wir all das, wo wir mit unserem oftmals sturen Kopf durch die Wand wollen, dem Herrn hinlegen sollen. Das kann wichtige Dinge betreffen, die unser Herz echt berühren, trotzdem dürfen wir uns da zurücknehmen, um hinzuhören, zu schauen wohin der Herr möchte, was er für uns vorbereitet hat. Der Herr hat uns alle geschaffen, er kennt uns und weiß am besten ,was wir brauchen. Wenn wir darauf schauen, alles, was wir uns wünschen, niederzulegen und mit offenen Armen dastehen, dann gehen wir einen großen Schritt, der manchmal schwerfällt und viel Mut erfordert. Ich bin davon überzeugt, dass sich dieser Schritt auszahlt, dass wir dadurch in eine große Freiheit gelangen. Das kann wie schon gesagt die kleinsten Dinge betreffen, wenn ich zum Beispiel in der Arbeit im Krankenhaus merke, dass ich mir für einen Patienten ein wenig mehr Zeit nehmen sollte, auch wenn ich das gerade aus verschiedenen Gründen nicht will, dann ergeben sich da oft wunderschöne Begegnungen und Gespräche. Aus Dingen die auf den ersten Blick klein und unbedeutend wirken, kann so viel Schönes und Großes entstehen.“
„Manchmal merke ich aber auch ganz klar, dass der Herr mich verwenden möchte und ich kann mich trotzdem nicht dazu überwinden, meine Komfortzone zu verlassen. Da gehe ich im Moment danach mit dem Herrn ins Gespräch, bitte um Verzeihung und versuche zu erkennen, was ich aus dieser Situation lernen kann, versuche zu erkennen, dass der Herr trotz allem Gutes aus dieser Situation hervorkommen lassen kann.“
Dieses Hinhören und Zuhören wollen, hat mich erst in eine lebendige Beziehung zu Gott gebracht. Anfangs war das ganz schwierig fassbar, ich konnte da nicht immer gleich zuordnen, was ich vermutlich vernommen habe, aber ich habe dann bemerkt, dass ich trotzdem versuchen kann, es mir oder dem anderen anzubieten. Dein Teil kann mit einem anderen Teil addiert, den du vielleicht gar nicht wahrnehmen kannst, so wichtig sein und viel bedeuten. Anfangs ist mir das wie gesagt sehr schwer gefallen, aber nach und nach durfte ich dann bemerken, dass Gottes Stimme eigentlich so nahe ist. Das ist ein weiterer Grund, weshalb mir die stille Zeit in der Früh so wichtig ist. Während dieser Zeit lese ich gerne in der Bibel, durch die Gott ja auch zu uns spricht. Was mich da auch gerade sehr berührt ist Worship, da kann ich momentan gut mit dem Herrn connecten. Ich denke so hat jeder Mensch seinen ganz persönlichen Bereich, in und durch den er mit dem Herrn in Verbindung sein kann, wo man dem Herrn nahe sein kann und es ist so wichtig, dass wir entdecken, welcher Bereich das für uns gerade ist. Ich denke auch, dass sich dieser Bereich im Laufe des Lebens ändert, das bedeutet nicht, dass man Gott nur auf eine Art und Weise begegnen kann, aber Bestimmtes wird für eine gewisse Zeit ein wenig intensiver als Anderes.“
Mimi erzählt, dass sie schon vor ihrer Jüngerschaftsschule in Kontakt mit Gott war und deshalb nie gedacht hätte, dass diese Zeit so eine Auswirkung auf sie und ihr Leben haben würde. „Diese Zeit hat mich extrem verändert, hat mich mehr zu meinem Herzen, mehr zu mir geführt und hat die lebendige Beziehung zu Gott nochmal neu entfacht, hat mich neu eintauchen lassen. Ich habe drei Jahre lang gespürt, dass ich so etwas machen sollte und es dann für drei Jahre erfolgreich ignoriert, bis das einfach nicht mehr ging, weil es mich so sehr dorthin gezogen hat. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war.“
Ich frage, ob sie denkt schon angekommen zu sein, an einem Ziel, ihrem Ziel? Woraufhin mir Mimi lächelnd entgegnet, dass ihr Weg wohl gerade erst begonnen hat. „Ich denke Gott möchte uns immer verwenden, um Menschen zu berühren und ich glaube, dass wir nie zu Ende belehrt sein können, es gibt immer noch etwas Neues zu erfahren. Wir dürfen immer wieder neu herausfordernde Schritte setzen und flexibel auf die Stimme Gottes hören, immer wieder neu fragen, was Gott gerade von uns möchte. Denn er hat uns so viel zu sagen.“
Tage später stehen wir in einem anderen hohen Raum, während dem Worship des Gebetskreises erklingen erst zarte, dann immer fester werdende Töne, not my will but yours be done, I trust you know it all for me, (dt. nicht mein Wille sondern dein Wille soll geschehen, Ich vertraue darauf das du alles für mich weißt) wird da gesungen und weiter: be strong, be steadfast, be willing (dt. sei stark, sein standhaft, sei gewillt). Ich muss lächeln und ertappe mich bei einer Frage, vertraue ich dem Herrn, seinem Plan und seiner Stimme eigentlich immer? Mimis Worte hallen nach. Und dann versuche ich mich in die Umarmung Gottes fallen zu lassen, meine Gedanken still werden zu lassen, denn er hat uns so viel zu sagen.
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